Das Flugzeug als Betriebsteil im Sinne des § 613 a BGB

Hans-Gerhard Roßmann, Rechtsanwalt, Darmstadt

I.Einleitung

Vielerlei Gründe können den Luftfahrtunternehmer dazu bewegen, neue Luftfahrtunternehmen zu gründen. So wird die Fracht auf die neue Frachttochter verlagert, das Tourismussegment erhält eine eigene Airline und den Billig-Carriern hält man kurzerhand eine eigene Billig-Airline entgegen. In den seltensten Fällen werden hierzu neue Flugzeuge beschafft.

„Aquagestrippt“ und mit neuer Farbe bemalt, versehen Flugzeuge ihren Dienst zukünftig für ein neues Unternehmen. Wegen des Arbeitskräftemangels beim Bordpersonal der Luftfahrtunternehmen wurde die Frage, ob es sich hierbei möglicherweise um einen Betriebsübergang handelt, noch nicht gestellt.

Auch die Überlassung eines Flugzeuges mit oder ohne Personal (wet/dry lease), wie es in der Luftfahrtbranche üblich ist, berührt die Frage, ob es sich bei einem Flugzeug um einen Betriebsteil im Sinne des § 613 a BGB handelt.

Gemäß § 613 a BGB tritt im Falle des Übergangs eines Betriebes oder Betriebsteils durch Rechtsgeschäft auf einen anderen Inhaber, dieser in die Rechte und Pflichten aus den im Zeitpunkt des Übergangs bestehenden Arbeitsverhältnissen ein.

Ob diese Rechtsfolge im Falle einer rechtsgeschäftlichen Übertragung eines Verkehrsflugzeuges auf einen anderen Inhaber ausgelöst wird, hängt davon ab, ob es sich bei einem Verkehrsflugzeug um einen Betriebsteil im Sinne des § 613 a BGB handelt.

II. Betriebsteil

Die Definition des Betriebsteils kann nur über die Bestimmung des Betriebsbegriffes erfolgen. Der Betrieb im Sinne des § 613 a BGB ist eine auf Dauer angelegte wirtschaftliche Einheit. Entscheidendes Kriterium für einen rechtserheblichen Übergang ist die Identitätswahrung. Dies wird im Wege einer wertenden Gesamtbetrachtung an jedem einzelnen Fall neu bewertet.

Die Rechtsprechung bedient sich hierzu Hilfskriterien wie Personal, Führungskräfte, Arbeitsorganisation, Betriebsmethoden, Kundschaft, Gebäude etc...
Vom Betrieb unterscheidet sich der Betriebsteil.

Der Betriebsteil im Sinne des § 613 a BGB ist eine Teilmenge von Betriebsmitteln eines Betriebes, die in Zusammenhang mit einem bestimmten arbeitstechnischen Zweck stehen.
Vor dem Hintergrund dieser Abhänigkeit ist es erforderlich, dass es sich um eine organisatorisch ausgliederbare Unterteilung handelt, die Gegenstand einer Veräußerung sein kann, da sonst eine eigenständige Verfolgung eines Teilzwecks des Gesamtbetriebes nicht möglich ist.

Ob ein Betriebsteil im Sinne des § 613 a BGB vorliegt, ist stets am Normzweck der Vorschrift zu messen.

Der Normzweck des § 613 a BGB ist überwiegend darin zu sehen, eine Lücke im Kündigungsschutzsystem zu schließen. Es soll verhindert werden, dass der Arbeitnehmer trotz Fortbestand seines Arbeitsplatzes bei einem anderen Inhaber seine Arbeitsstelle verliert.
Arbeitsplatz und Arbeitsstelle werden in ein Abhänigkeitsverhältnis gestellt.

III. Das Flugzeug als Betriebsteil

Verkehrsflugzeuge sind das Herz eines jeden Luftfahrtunternehmens. Sie dienen dazu, Güter und Personen von einem Ort zum anderen zu befördern. Kein Luftfahrtunternehmen hat einen darüber hinausgehenden Zweck. Zwar ließe sich ein Luftfahrtunternehmen ohne Bodenpersonal und Technikabteilung nur schwer darstellen, letztendlich sind sie aber nur sekundäre Teilorganisationen, die den Flugbetrieb unterstützen und für sich genommen nichts oder allenfalls sehr wenig erwirtschaften.

In der Luftfahrtbranche hat das Flugzeug einen herausragenden Stellenwert, da es als alleiniges primäres Betriebsmittel die Tätigkeit des Luftfahrtunternehmens bestimmt und den Umsatz bzw. den Gewinn erwirtschaftet.

Dies wird vor dem Hintergrund folgender Überlegung besonders deutlich.
Die Anschaffungskosten eines Verkehrsflugzeuges wie etwa die Boeing 737 oder der Airbus 300 belaufen sich auf mindestens 2-stellige Millionenbeträge und es bedarf vieler Jahre, bis sich diese Anschaffungskosten amortisiert haben. Selbst die größten, weltweit operierenden Fluggesellschaften besitzen nur wenige hundert dieser Maschinen. Wenn man bedenkt, dass diese wenigen Flugzeuge 3-stellige Milliardenbeträge erwirtschaften, so wird die wirtschaftliche Bedeutung eines einzelnen Flugzeuges augenfällig.

Keine Airline kann es sich leisten, eines ihrer Flugzeuge ungenutzt zu lassen. Jede einzelne Maschine stellt daher ein Baustein in den Flugplänen der Luftverkehrsgesellschaften dar.
Fällt ein einzelnes Flugzeug aus, so bleibt das nicht ohne Folgen für den gesamten Betriebsablauf, da das Flugzeug immer für mehrere Umläufe eingeteilt wird und in der Regel auch das Bordpersonal schon für Einsätze an anderen Orten eingeteilt ist. Diese werden sie dann nicht mehr erreichen und folglich Probleme mit der gesetzlich vorgegebenen Dienstzeit bekommen.

Die Besonderheiten des Luftverkehrs bedingen die Schwierigkeiten bei der Einordnung eines Flugzeuges als Betriebsteil.
Die Luftfahrt wird nicht stationär durchgeführt, sondern ist charakterisiert durch eine hohe Mobilität und Flexibilität von Betriebsmitteln und Personal. Das klassische Bild eines Betriebes oder Betriebsteils passt hier nicht. Gerade das gebietet eine Auslegung eng an der ratio legis des § 613 a BGB.

Jedem Verkehrsflugzeug ist eine „crew“, eine Einheit von Arbeitnehmern zugeordnet. Die Anzahl und Qualifikation der auf einem Flugzeug eingesetzten Arbeitnehmer ist gesetzlich vorgeschrieben und steht nicht zur Disposition des Arbeitgebers. Insoweit handelt es sich hier um eine quantitative und qualitative, nicht aber personenbezogene Bindungswirkung auf Seiten des Arbeitgebers.

Die Besatzung setzt sich zusammen aus dem Cockpitpersonal (Flugkapitän, Co-Pilot, Flugingenieur) und gegebenenfalls dem Kabinenpersonal (Flugbegleiter, Frachtbegleiter). Diese Arbeitnehmer sind nach den gültigen Standards in gleicher Weise ausgebildet und unterscheiden sich allenfalls nur in ihrer Zulassung auf einzelne Flugzeugtypen (sog. Type-rating).

Die eingesetzten Flugbesatzungen arbeiten üblicherweise nur kurze Zeit zusammen und wechseln regelmäßig das Flugzeug auf dem sie eingesetzt werden. Eine dauerhafte Bindung des Personals untereinander, sowie zwischen dem Personal und dem einzelnen Fluggerät, besteht nicht.

Auch dies ist ein gravierender Unterschied zum „klassischen“ Betrieb bzw. Betriebsteil, bei dem im Regelfall bestimmte Arbeitnehmer einem Betriebsmittel zugeordnet sind.
Die Frage, die in diesem Zusammenhang auftaucht, ist, ob der Betriebsteilbegriff zwingend eine Personalisierung fordert.

Der Gesetzestext des § 613 a BGB setzt für das Vorliegen eines Betriebsteilsübergangs nicht die Übernahme des Personals voraus. Der Fortbestand der Arbeitsverhältnisse ist ja gerade die Rechtsfolge des § 613 a BGB und kann daher nicht Tatbestandsvoraussetzung sein. Insofern ist die Betriebsteileigenschaft entpersonalisiert und die fehlende feste Zuordnung einzelner Arbeitnehmer zum Flugzeug für die Subsumtion unschädlich.

Es ist völlig ausreichend, das es sich bei Flugzeugen um Betriebsmittel handelt, die mit Hilfe einer arbeitsteilig eingesetzten Gruppe von Arbeitnehmern zur Verwirklichung eines auf Dauer angelegten eigenständigen arbeitstechnischen Zwecks eingesetzt werden.
Wegen des erforderlichen arbeitsteiligen Einsatzes der Arbeitnehmer auf einem in Dienst befindlichen Verkehrsflugzeug findet sich dort auch die für den Betriebsteilbegriff wesentliche betriebliche Teilorganisation.

Im Luftverkehr ist es unvermeidbar, dass die Besatzung als organisatorisch zusammengefasste Gruppe von Arbeitnehmern die innerhalb der betrieblichen Zielsetzung zugedachte Aufgabe natürlich getrennt vom sonstigen Betrieb erfüllt. Hierbei ist es schlicht unmöglich, dass immer die gleichen Besatzungen auf dem gleichen Fluggerät eingesetzt werden.

Das Bordpersonal unterliegt gem. den §§ 2,3 LuftVO i.V.m. § 29 III LuftVG den Anweisungen des während des Fluges mit arbeitgeberähnlichen Kompetenzen ausgestatteten Kommandanten. Darüberhinaus gibt es an Bord eines Verkehrsflugzeuges eine klare Hierarchie: Pilot in Command - First Officer - Chief of Cabin. Aufgrund dieser vorgegebenen, festgefügten Struktur der Arbeitsorganisation können gegen die Einordnung eines Flugzeuges als organisatorische Teileinheit des Betriebes daher keine Bedenken entstehen.

Zusammenfassend ist es also nicht ersichtlich, warum bei Branchen, die in wesentlich höherem Maße durch die Betriebsmittel als durch Arbeitnehmer geprägt werden, die materiellen Betriebsmittel nicht den Ausschlag für die Einordnung als Betriebsteil geben sollen. Verneinte man dies, so liefe aufgrund der besonderen Arbeitssituation und Organisationsstruktur im Luftverkehr der Schutz des § 613 a BGB für das Bordpersonal leer.
Warum aber das Arbeitsverhältnis eines Arbeitnehmers im Luftverkehr weniger schutzwürdig sein soll, als das eines Arbeitnehmers einer anderen Branche, ist, bei vergleichbarer Interessenlage, nicht plausibel.

Wenn es aber für die Bestimmung des Betriebsteils auf bestimmte Arbeitnehmer nicht ankommt, ist es ungeklärt, welche Arbeitnehmer mit dem Betriebsteil übergehen, wenn aufgrund der Organisationsstruktur des Unternehmens eine eindeutige Zuordnung von Arbeitnehmern zum übergehenden Betriebsteil nicht möglich ist.

Da es möglich und notwendig ist, den Begriff Betrieb bzw. Betriebsteil im Sinne des § 613 a BGB zu definieren, ohne hierfür eine Zuordnung der Arbeitsverhältnisse zum Betrieb bzw. Betriebsteil vorzunehmen, kann diese Zuordnung nur einem 2. Schritt bei der Bestimmung der Rechtsfolge vorbehalten bleiben.

§ 613 a BGB unterstellt, dass ein Arbeitnehmer nur einem Betrieb oder Betriebsteil zugerechnet werden kann. Die Schutzfunktion gebietet, dass eine eindeutige Zuordnung erreicht wird, die der Funktion der Betriebsveräußerung genügt und den betroffenen Arbeitnehmern ihre Arbeitsplätze und ihren sozialen Besitzstand erhält.

Bei einem Verkehrsflugzeug als Betriebsteil bereitet die Zuordnung der Arbeitsplätze keine Probleme. Diese sind bei einem Verkehrsflugzeug gesetzlich vorgegeben, bestimmbar und bezüglich ihrer Art und Anzahl abhängig vom Fluggerät.

Problematisch ist aber die persönliche Zuordnung der Arbeitnehmer zu den Arbeitsplätzen.
Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes sollen die Arbeitsverhältnisse derjenigen Arbeitnehmer übergehen, die dem konkreten Betrieb oder Betriebsteil zuzuordnen sind. Insoweit stellt das Bundesarbeitsgericht primär auf den Willen der Beteiligten ab.
Dieser Auffassung kann aber nur dann gefolgt werden, wenn zwischen den Parteien Einigkeit hinsichtlich des Betriebsübergangs besteht.

Dann wäre es aber auch kein Übergang nach § 613 a BGB sondern nach § 415 BGB.
Bei § 613 a BGB geht es um eine gesetzliche Rechtsfolge. Es ist unstreitig, dass § 613 a BGB und dessen Rechtsfolge nicht durch Vereinbarung zwischen alten und neuen Betriebs- oder Betriebsteilinhaber abgedungen werden kann. Wäre dies möglich, so liefe der hierdurch bezweckte Schutz des Arbeitnehmers ins Leere. Dann kann es den Parteien auch nicht überlassen bleiben, sich über das Vorliegen des Tatbestandes dieser Norm zu einigen.

Wird die Zuordnung virulent, kann der Parteiwille keinesfalls ausschlaggebend sein. Das Bundesarbeitsgericht stellt dann darauf ab, in welchem Betrieb bzw. Betriebsteil der Arbeitnehmer überwiegend seine Tätigkeit verrichtet hat.

Dies führt aber nicht in allen Fällen zu normgerechten Ergebnissen. Immer dann, wenn keine exakte Zuordnung erfolgen kann, würde das Arbeitsverhältnis beim Restbetriebsinhaber verbleiben, da kein Überleitungstatbestand vorliegt.

Insbesondere bei zentralistisch organisierten Betrieben ist es zweifelhaft, ob mit dem Übergang einzelner Betriebsteile zugleich ein Übergang von Arbeitsverhältnissen der zentralen Verwaltungsebene oder von Springern verbunden ist. Ebenso verhält es sich bei Arbeitnehmern aus dem sogenannten Overheadbereich. Auch das Bordpersonal wäre wegen der besonderen Art der Leistungserbringung vom Schutzgedanken des § 613 a BGB ausgenommen. Ohne einen Übergang müssten diese Arbeitnehmer mit betriebsbedingten Kündigungen im Restbetrieb rechnen. Genau davor soll § 613 a BGB aber schützen.

Dem Schutzzweck des § 613 a BGB und den Interessen der Parteien wird man dann gerecht, wenn man die Zuordnung als eine versetzungsähnliche Maßnahme betrachtet, bei der der Arbeitgeber ebenso wie bei Änderungskündigungen sowohl § 2 als auch § 1 KSchG beachten muß. Er wäre dann u.a. gehalten, eine soziale Auswahl unter allen vergleichbaren Arbeitnehern ( auch unter denen, die überwiegend in einem Betriebsteil tätig waren) vorzunehmen.

Hierbei sind die Auswahlkriterien daran zu orientieren, dass es sich nicht um den Verlust des Arbeitsplatzes, sondern um die Änderung der Arbeitsbedingungen, bzw. den Wechsel des Arbeitgebers bei Aufrechterhaltung des Arbeitsplatzes geht.Die sonst im Vordergrund stehenden Sozialdaten wie Betriebszugehörigkeit und Unterhaltsverpflichtungen stehen dabei nicht im Vordergrund. Die Belastungsunterschiede sind vielmehr an den örtlichen Gegebenheiten, bzw. deren Veränderung (home-base, shuttle) zu orientieren.

Die Zuordnung nach dem Kriterium der sozialen Auswahl wird dem Schutzzweck des § 613 a BGB sowie den Interessen der Parteien am ehesten gerecht. Sie berücksichtigt in umfassender Art und Weise die sozialen Lebensumstände der Arbeitnehmer und gibt dem Arbeitgeber im Falle eines Widerspruchs oder einer Klage die Sicherheit die Zuordnung nach sozialen Gesichtspunkten durchgeführt zu haben, deren Rechtmäßigkeit im Einzelfall nur schwer zu widerlegen sein wird.

IV Fazit

Verkehrsflugzeuge in Luftfahrtunternehmen sind das bestimmende Betriebsmittel. Mit diesem wird der alleinige Geschäftszweck von Luftfahrtunternehmen, nämlich der Transport von Menschen bzw. Gütern verfolgt und erreicht. Es handelt sich um eine organisatorisch ausgliederbare, selbständigeEinheit, so dass an der Klassifizierung des Verkehrsflugzeuges als Betriebsteil im Sinne des § 613 a BGB keine Zweifel bestehen.

Roßmann