Der Pilot als Freelancer

Gewerbetreibender, Freiberufler oder Arbeitnehmer?

Wenn auch in den überwiegenden Fällen, so wollen Vertragsparteien in Dienstleistungsbeziehungen doch nicht immer ein Arbeitsverhältnis abschließen. Gelegentlich erscheint den Parteien die Vereinbarung eines freien Dienstvertrages sinnvoller.
Beispielsweise wenn ein Besatzungsmitglied, das noch einen anderen Beruf ausübt, nicht ständig, sondern nur gelegentlich an bestimmten Tagen eingesetzt werden will. Oder wenn der Luftfahrtunternehmer ein Besatzungsmitglied nur zur Abdeckung bestimmter Bedarfsspitzen einsetzten will.
In solchen oder ähnlichen Fällen wird kein Arbeits- sondern ein Dienstvertrag geschlossen, der in der Praxis des Luftverkehrs als freelance Vertrag bezeichnet wird.

1.Arbeitnehmer

Bei der Prüfung welches Vertragsverhältnis begründet wurde, kommt es nicht darauf an, wie die Vertragsparteien das Vertragsverhältnis bezeichnet haben; entscheidend sind allein die objektiven Umstände, unter denen die Dienstleistungen zu erbringen sind.

Ein freier Mitarbeiter unterscheidet sich von einem Arbeitnehmer durch den Grad der persönlichen Abhängigkeit, in derer sich zum Unternehmer befindet; auf eine wirtschaftliche Abhängigkeit kommt es dabei nicht an. Selbständig ist, wer seine Tätigkeit im wesentlichen frei gestalten und seine Arbeitszeit bestimmen kann. Wer dagegen in eine fremdbestimmte Arbeitsorganisation eingebunden ist und dem Weisungsrecht des Dienstherren (Zeit, Dauer, Art und Inhalt der Tätigkeit) unterliegt, ist nicht selbständig.

Besatzungsmitglieder in Luftfahrtunternehmen haben ihre Arbeitsleistungen im Rahmen der flugbetrieblichen Anweisungen, wie sie im Flugbetriebshandbuch/Flight Operation Manual, FOM) des Unternehmens niedergelegt sind, zu erbringen. (Flugdienst, Bereitschaft, Proceeding)Art und Zeit der Arbeitsleistung werden vom Unternehmer verfügt und in Dienstplänen festgelegt. Ein starkes Indiz für eine Arbeitnehmer-Eigenschaft ist jedenfalls dann gegeben, wenn der Einsatz des Mitarbeiters durch Dienstpläne geregelt wird, die ohne seine Mitwirkung erstellt werden. Vor diesem Hintergrund hat das Bundesarbeitsgericht einen als „freelancer“ eingesetzten Co-Piloten als Arbeitnehmer gesehen, weil er den Weisungen des jeweiligen Flugkapitäns unterworfen ist.

2.Gewerbetreibender

Anders wird dies vom Bundesfinanzhof gesehen. Zwar wird auch dort erkannt, dass der Flugzeugführer weder Ort noch Zeit seiner Leistungserbringung bestimmen kann, da er in die Dienstpläne des Flugpersonals mit einbezogen ist. Nach Auffassung des Gerichts steht dies aber nicht einer selbständigen Tätigkeit entgegen. Auch andere als selbständig anerkannte Tätigkeiten können nur im Rahmen einer vom Auftraggeber vorgegebenen Organisation oder zu bestimmten Zeiten erbracht werden.

Klar für eine selbständige Tätigkeit spreche demgegenüber, wenn der Flugzeugführer weder Anspruch auf bezahlten Urlaub noch auf Lohnfortzahlung im Krankheitsfall habe.
Ein weiteres Indiz für die Selbständigkeit sei, dass die vereinbarte Vergütung nur für Flugstunden gewährt wird, nicht aber für die im Zusammenhang damit anfallenden sonstigen Flugdienstzeiten.

Die Rechtsprechung der Finanzgerichtsbarkeit sieht im freelancer einen Gewerbebetrieb.
Gewerbebetrieb ist eine selbständige nachhaltige Betätigung, die mit der Absicht, Gewinn zu erzielen, unternommen wird, sich als Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr darstellt und weder als Ausübung eines freien Berufes noch als andere selbständige Arbeit anzusehen ist (§ 15 Abs. 2 Satz 1 EStG).

Fraglich ist in diesem Zusammenhang, ob der Pilot, der für einen Luftfahrtunternehmer tätig ist, am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr teilnehmen kann. Nach der ständigen Rechtsprechung des BFH wird die Tätigkeit auch dann am Markt angeboten, wenn sie nur einem einzigen Marktteilnehmer angeboten wird. Maßgeblich ist alleine die Erkennbarkeit für einen oder mehrere Auftraggeber. Dritten Geschäftspartnern des Auftraggebers braucht dem gemäß nicht deutlich zu werden, ob die Tätigkeit vom Auftragnehmer als Subunternehmer selbständig oder im Anstellungsverhältnis unselbständig geleistet wird. Der „Dritte“ wäre in diesem Zusammenhang der Fluggast. Dessen Kenntnis bzw. Unkenntnis wäre aber unbeachtlich.
Ob der freelancer faktisch in der Lage ist, für andere Luftfahrtunternehmen zu fliegen, spielt nach der Rechtsprechung des BFH keine Rolle. Nach der Auffassung des BFH ist der Verkehrsflugzeugführer als free-lancer jedenfalls ein gewerbesteuerpflichtiges „fliegendes“ Gewerbe.

3.Freiberufler

Folgt man der Auffassung des BFH, wäre der freelance pilot von der Gewerbesteuerpflicht nur noch dann zu bewahren, wenn er als Freiberufler zu klassifizieren wäre.

Zu den Freiberuflern gehören neben den im Katalog des § 18 Abs. 1 Satz 2 EStG ausdrücklich genannten Berufe auch diesen sogen. Katalogberufen ähnliche Berufe.
Ein Beruf ist einem Katalogberuf ähnlich, wenn er in wesentlichen Punkten mit diesem verglichen werden kann. Dazu gehört die Vergleichbarkeit der Ausbildung und die Vergleichbarkeit der beruflichen Tätigkeit.

Der Beruf des Piloten könnte mit dem Katalogberuf des Ingenieurs vergleichbar sein.
Ingenieur im Sinne des § 18 Abs. 1 Nr.1 Satz 2 EStG ist nach ständiger Rechtsprechung des BFH seit Inkraftsetzung der Ingenieurgesetze der Länder nur noch, wer das Studium an einer wissenschaftlichen Hochschule oder einer Ingenieurschule oder den Betriebsführerlehrgang an einer Bergschule abgeschlossen hat.Wer geltend macht, einen dem Ingenieur ähnlichen Beruf auszuüben, muss deshalb nachweisen, dass er Kenntnisse auf dem Gebiet des Ingenieurwesens hat, die in der Breite und Tiefe denjenigen entsprechen, die ein Absolvent einer Hochschule oder Fachhochschule erworben hat. Außerdem muss er in einem Kerngebiet des Ingenieurwesens praktisch tätig sein.

Ein Verkehrsflugzeugführer muß also im Kernbereich über diejenigen Kenntnisse verfügen, die ein Flugingenieur im Sinn der LuftPersV erlangt hat. Insoweit wäre der Verkehrsflugzeugführer durchaus mit einem Flugingenieur vergleichbar. Dies allein hilft aber nicht weiter, da für den Beruf des Flugingenieurs nach der LuftPersV der einschlägige Hochschulabschluss nicht mehr zwingende fachliche Voraussetzung für die Ausübung der Tätigkeit ist. Die ehemals erforderliche Hochschulausbildung wurde vielmehr durch die bestandene Prüfung zum Verkehrsflugzeugführer ersetzt.

Ein ähnlicher Beruf aus dem Katalog des § 18 Abs.1 Nr.1 EStG könnte der Beruf des Lotsen sein. Betrieb der Lotse früher ein „schwimmendes“ Gewerbe so ist er seit 1960 in den Freiberufler Katalog aufgenommen. Seelotse nach dem Seelotsengesetz in der Fassung vom 13. September 1984 ist derjenige, der nach behördlicher Zulassung auf Seeschifffahrtsstraßen außerhalb von Häfen berufsmäßig Schiffe als orts- und schifffahrtskundiger Berater geleitet. Nach § 21 SeelotG übt der Seelotse seine Tätigkeit als freien, nicht gewerblichen Beruf aus.
Er führt Lotsungen in eigener Verantwortung durch, unterliegt aber der Überwachung nach Maßgabe des Seelotsengesetzes. Die Erfüllung der Berufspflichten wird von der Lotsenbrüderschaft überwacht.

Die Tätigkeit eines Piloten ist von der gesetzgeberischen Ausgestaltung nicht als selbständiger, freier Beruf gestaltet. Auch ist der Pilot nicht Mitglied einer Berufskammer. Nach ständiger Rechtsprechung des BFH scheidet aus diesen Gründen eine Vergleichbarkeit aus.

Fazit

Arbeitnehmer, Gewerbetreibender, Freiberufler; alle Konstellationen sind mehr oder weniger denkbar.

Die Rechtsprechung des BFH zur Abgrenzung freelancer/Arbeitnehmer indes überzeugt nicht.

Für diese Bestimmung ist auf die tatsächlichen Verhältnisse abzustellen. Wie und unter welchen Voraussetzungen ist die Arbeitsleistung zu erbringen? Die Gegebenheiten des Flugbetriebes gebieten es zwingend, den Piloten in den starren Organisationsablauf zu integrieren. Nur so kann eine effiziente Planungsstabilität erreicht werden. Der pilot in command übt während der Flugdurchführung auch das arbeitgeberseitige Direktionsrecht durch die chain of command gegenüber dem Co-Piloten und den anderen Besatzungsmitgliedern aus. Auch aus der Entlohnung nach Flugstunden ist nicht auf eine freelance zu schließen. Eine flugstundenabhänige Vergütung ist auch im Arbeitsverhältnis die Regel. Wenn der BFH auf Lohnfortzahlung im Krankheitsfall und bezahlten Urlaub abstellt, so sind dies lediglich die Rechtsfolgen einer Arbeitnehmerstellung. Diese ergeben sich aus dem Gesetz. Möglicherweise sollen gerade diese Folgen durch den freelance Vertrag umgangen werden. Insoweit können diese Kriterien gerade nicht zur Bestimmung der Arbeitnehmerstellung herangezogen werden. Dies hat das Bundesarbeitsgericht in der angegebenen Rechtsprechung überzeugend dargelegt.

Seit Jahren schon gibt es ernsthafte Bestrebungen, die Flugzeugführerausbildung an Hochschulen durchzuführen. Je nach Ausgestaltung haben Piloten dann die Möglichkeit, als Freiberufler tätig zu werden. Bislang ist Ihnen dieser Weg aber regelmäßig verschlossen.
Nur der Pilot mit anerkannten Ingenieur-Studium kann diese Möglichkeit in Betracht ziehen.

Gerade wegen der steuer- und sozialrechtlichen Folgen lohnt es sich, bei Abschluss und Ausgestaltung fliegerischer Beschäftigungsverhältnisse mehr Sorgfalt an den Tag zu legen.

Darmstadt,12.12.2002

Rechtsanwalt Roßmann

Roßmann & Collegen Darmstadt