Die Stellung des Bordpersonals in der Betriebs- und Unternehmensverfassung

1. Betriebsverfassung

Das besondere Arbeitsrecht des „fliegenden Personals“ von Luftfahrtunternehmen steht bereits seit Anfang des 20. Jahrhunderts zur Diskussion.
1922 beabsichtigte das Reichsarbeitsministerium ein allgemeines Luftarbeitsrecht einzuführen.
Auch das internationale Arbeitsamt in Genf bemühte sich, ein internationales Arbeitsrecht für die gesamte Luftfahrt zu konzipieren.
Es sollten arbeitsrechtliche Normen zusammengefasst werden, die speziell auf die Besonderheiten des fliegenden Personals abgestellt waren. Gescheitert sind solche Bemühungen an der geringen Zahl der Beschäftigten und dem Widerstand aus der Praxis.
Die Diskussion fand ihr Ende durch die Einführung des LuftVG am 1.8.1922 und der LuftVO vom 21.8.1936.
Im Bereich des kollektiven Arbeitsrechts findet die Luftfahrt erstmalig im Gesetz zur Ordnung der nationalen Arbeit vom 20.1.1934 Erwähnung.

§ 4 Abs.3 dieses Gesetzes bestimmte:

„Die Vorschriften dieses Gesetzes, mit Ausnahme der §§ 32,33 finden auf Schiffe der See-, Binnen- und Luftschiffahrt und ihre Besatzungen keine Anwendung.“

Das BetrVG vom 14.11.1952 sah ebenfalls keine Geltung für Betriebe der Seeschiffahrt und Luftfahrt vor. In § 88 Abs. 3 BetrVG 1952 war vorgesehen, dass dieser Bereich der Reglung durch ein besonderes Gesetz vorbehalten bleibt. In der Folgezeit stand ein solches Gesetz nie zur Diskussion.

Bei der Novellierung des BetrVG 1970 stellte der Gesetzgeber die Geltung des Betriebsverfassungsgesetzes für Landbetriebe von Luftfahrtunternehmen klar. Für die im Flugbetrieb beschäftigten Arbeitnehmer gilt § 117 Abs. 2 BetrVG.
Danach kann für diese Beschäftigungsgruppe eine Vertretung nur durch Tarifvertrag errichtet werden. Das BetrVG 2002 hat an dieser Reglung nichts geändert.

a. Der Begriff Luftfahrtunternehmen

Der Begriff des Luftfahrtunternehmens im Sinne des § 117 BetrVG bestimmt sich bislang nach § 20 Abs.1, Satz 1 LuftVG .
Nach der dortigen Legaldefinition sind Luftfahrtunternehmen solche Unternehmen die gegen Entgelt Personen oder Sachen durch Luftfahrzeuge befördern.
§ 20 Abs. 1 LuftVG behandelt die Voraussetzung der Genehmigung als Luftfahrtunternehmen durch das Luftfahrtbundesamt. Bei diesem Genehmigungsverfahren ist die EWG-Verordnung 2407/92 zu berücksichtigen.
Im Sinne dieser Verordnung kann jede natürliche oder juristische Person unabhängig einer Gewinnerzielungsabsicht Unternehmen sein.
In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage, ob ein Luftfahrtunternehmen nach § 117 BetrVG nur dann anzunehmen ist, wenn Beförderung gegen Entgelt vorgenommen wird oder ob möglicherweise der erweiterte Unternehmensbegriff der EWG-Verordnung heranzuziehen ist.

Dies kann nur nach der ratio legis des § 117 BetrVG beantwortet werden.
Auf die im Flugbetrieb beschäftigten Arbeitnehmer von Luftfahrtunternehmen sollte nach den Vorstellungen des Gesetzgebers das Betriebsverfassungsgesetz wegen der besonderen, nicht ortsgebundenen Art der Tätigkeit des Bordpersonals, keine Anwendung finden, weil es für diese Arbeitnehmergruppe weit schwieriger als für das Bodenpersonal ist, eine Betriebsvertretung zu organisieren.
Diese besonderen Umstände sind aber bei allen Besatzungsmitgliedern von Luftfahrtunternehmen gegeben, gleichgültig, ob entgeltlich oder unentgeltlich befördert wird.
Es besteht daher keine Veranlassung eine Differenzierung vorzunehmen.

b. Der Arbeitnehmer im Flugbetrieb

Von der Ausnahmereglung des § 117 Abs.2 BetrVG werden die „im Flugbetrieb beschäftigten Arbeitnehmer“ erfasst.
Unter Flugbetrieb ist derjenige Teil eines Luftfahrtunternehmens zu verstehen, dessen arbeitstechnischer Zweck unmittelbar darauf gerichtet ist, die Beförderung von Personen oder Gütern durch Luftfahrzeuge tatsächlich auszuführen.
Im Flugbetrieb beschäftigt sind solche Arbeitnehmer, die unmittelbar bzw. tatsächlich eine Beförderungstätigkeit ausüben, indem sie das Flugzeug führen, dabei mitwirken oder Personen bzw. Güter während der Beförderung betreuen und die mit der Beförderung verbundenen Dienstleistungen erbringen.
Arbeitnehmer, die nicht an den Beförderungsleistungen mitwirken, gehören auch dann nicht zu den im Flugbetrieb Beschäftigten, wenn die Tätigkeit von Ihnen ganz oder teilweise im Flugzeug selbst oder während eines Fluges erbracht wird, z.B. Wartungsdienst, Prüf-oder Kontrolldienst, Mitarbeiter einer Flight-Safety-Abteilung.

Die Tätigkeit eines Flugzeugführers, eines Flugingenieurs oder eines Flugbegleiters ist typischer Teil der Ausführung einer Transportleistung. Dies gilt aber nur soweit, wie das Schwergewicht ihrer arbeitsvertraglichen Tätigkeit im fliegenden Einsatz liegt.
Gelegentliche Flüge, die lediglich Ausbildungs- und Kontrollmaßnahmen dienen sind als Zusammenhangtätigkeiten zu sehen und geben der Tätigkeit nicht das entscheidende Gepräge. Die für das fliegende Personal zuständigen Dienststellenleiter, die nur gelegentlich zur Erhaltung einer Erlaubnis oder Berechtigung, zu Übungs-, Erfahrungs- oder Kontrollzwecken an Bord von Flugzeugen mitfliegen, deren Tätigkeit aber Hauptsächlich auf Wahrnehmung von Verwaltungs- oder sonstigen bodengebundenen Aufgaben ausgerichtet ist, sind dem Landbetrieb des Luftfahrtunternehmens zu rechnen.
Daher zählen Flugbetriebsleiter sowie Piloten, die nur überwiegend im Flugsimulator ausbilden, der Leiter des Kabinenpersonals, sowie Lehrflugingenieure, Ausbildungsleiter, Lehr-Purser soweit sie nicht mehr oder nur gelegentlich im Flugeinsatz tätig sind, nicht zu den im Flugbetrieb beschäftigten Arbeitnehmer in Sinne des § 117 BetrVG.

c. Die Verfassungsmäßigkeit des § 117 BetrVG

Die besondere betriebsverfassungsrechtliche Situation des Bordpersonals von Luftfahrtunternehmen bedeutet in letzter Konsequenz, dass sie sich in tarifvertraglichen Auseinandersetzungen das erstreiten und sich als Verhandlungsvolumen anrechnen lassen müssen, was anderen Arbeitnehmern kraft Gesetzes zusteht.
Art 3 Abs. 1 GG fordert gleiches Recht dort, wo die zu regelnden Sachverhalte in den wesentlichen Punkten übereinstimmen. Ungleiche Behandlung verletzt den Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG nur dann, wenn Unterscheidungen vorgenommen werden, die sich bei näherer Prüfung als willkürlich und sachfremd erweisen.
Insoweit bedarf die Vorschrift des § 117 BetrVG einer sachlichen Rechtfertigung.
Der Gesetzgeber hat das fliegende Personal wegen der besonderen, nicht ortsgebundenen Art der Tätigkeit vom BetrVG ausgeschlossen.
Das allerdings reicht für die Ausklammerung des fliegenden Personals aus dem Schutzkreis des BetrVG nicht aus. Arbeitnehmer ohne Bindung an einen festen Arbeitsplatz finden sich auch außerhalb der Luftfahrt, so z.B. Monteure, Handlungsreisende, Werbekolonnen, Fernfahrer, Binnenschiffer.
Auch die Besatzungsmitglieder auf Seeschiffen werden von der Geltung des BetrVG nicht ausgenommen.
Eine Sonderstellung gegenüber anderen Arbeitnehmern erhält jedenfalls das Cockpitpersonal durch die gesetzlich vorgeschrieben Fluglizenzen und Flugzeugmusterberechtigungen. Zur Aufrechterhaltung dieser Berechtigungen ist es notwendig dass der Flugzeugführer innerhalb eines bestimmten Zeitraums eine bestimmte Anzahl von Flugstunden, Starts und Landungen sowie Überprüfungsflüge durchführt.
Dadurch wird das Cockpit-Personal gezwungen die fliegerische Tätigkeit nahezu ständig auszuüben.
Daraus ergeben sich erhebliche Schwierigkeiten einen Betriebsrat zu organisieren, denn Freistellungen kommen nicht in Betracht.
Das Bundesarbeitsgericht hat in seiner Entscheidung vom 5.11.1985daraus geschlossen, dass das fliegende Personal auch innerhalb der Arbeitnehmer ohne Bindung an einen festen Arbeitsplatz einen Sonderfall bildet. Die Herausnahme des fliegenden Personals aus dem Geltungsbereich des BetrVG sei daher sachlich gerechtfertigt und verstoße deswegen nicht gegen den Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 I GG.
Das Bundesarbeitsgericht hat in seiner Entscheidung nicht berücksichtigt, dass durch § 117 BetrVG auch nicht erlaubnispflichtiges Kabinenpersonal erfasst wird. Insoweit hätte selbst nach der Argumentation des Bundesarbeitsgerichtes eine Differenzierung vorgenommen werden müssen.
Schließlich hat die durchgänige Praxis die Argumentation des Bundesarbeitsgerichts widerlegt.
Überwiegend haben die Tarifvertragsparteien beim Abschluss der Tarifverträge nach § 117 BetrVG lediglich die entsprechende Anwendbarkeit der Vorschriften des BetrVG vereinbart.
Auf die besonderen Arbeitsbedinungen wird nicht eingegangen. Selbst bei umfangreicheren Tarifverträgen wird in aller Regel lediglich der Aufbau und der Wortlaut des BetrVG wiederholt. Lediglich die Bezeichnung ändert sich. Aus dem Betriebsrat wird die Personalvertretung. Ansonsten wird die gleiche Tätigkeit ausgeübt. Probleme wegen des fliegerischen Einsatzes oder des Lizenzerhaltes haben sich in der Praxis nicht ergeben.
Insoweit ist es nicht mehr gerechtfertigt dass fliegende Personal aus dem Geltungsbereich des Betriebsverfassungsgesetzes auszuklammern.

2. Tarifverträge nach § 117 BetrVG

a. Gestaltungsmöglichkeiten

Nach § 117 Abs. 2 BetrVG kann für die im Flugbetrieb beschäftigten Arbeitnehmer durch Tarifvertrag eine Vertretung errichtet werden. Das Gesetz schafft dadurch eine Ermächtigungsgrundlage für die Tarifvertragsparteien.
Diese Verlagerung der Reglungskompetenz vom Gesetzgeber auf die Tarifebene bedingt auch die Erzwingbarkeit eines Vertragsschlusses mit tarifpolitischen und/oder arbeitskampfrechtlichen Mitteln.
Es besteht aber kein Anspruch gegen den Tarifpartner auf Aufnahme und Führung von Tarifverhandlungen.
Die Tarifvertragsparteien haben infolge ihrer Gestaltungsmacht ein weites Betätigungsfeld. Sie können im Rahmen der Tarifverträge auf die Reglungen des BetrVG Bezug nehmen oder aber auch eigenständige, nicht am BetrVG ausgerichtete Betriebsvertretungen schaffen.
Der Gesetzgeber ist von der Verfassung her nicht gehalten, für das fliegende Personal einen Mindeststandard an Beteiligungsrechten vorzuschreiben, dies bedeutet, dass die tarifvertraglich vereinbarten Beteiligungsrechte hinter dem Standard des BetrVG zurückbleiben können.
Die Zusammensetzung der Vertretung kann frei bestimmt werden; insbesondere können Gruppenvertretungen und eine Gesamtvertretung gebildet werden.
Der abgeschlossene Tarifvertrag nach § 117 BetrVG ist die Rechtsgrundlage für die Wahl der Vertretung als Betriebsverfassungsorgan. Sie wird in nahezu allen Luftfahrtunternehmen, die einen entsprechenden Tarifvertrag abgeschlossen haben als Personalvertretung bezeichnet.
Eine ohne tarifliche Grundlage durch Arbeitnehmer des Flugbetriebes gebildete Vertretung ist wegen Nichtigkeit der Wahl kein Betriebsrat im Sinne des BetrVG, auch dann nicht, wenn der Arbeitgeber sich mit ihm in Verhandlungen eingelassen hat.

Die Mitglieder einer nach § 117 BetrVG errichteten Vertretung genießen nur dann Kündigungsschutz, wenn dies der Tarifvertrag ausdrücklich vorsieht oder wenn im Tarifvertrag das BetrVG allgemein oder insoweit für anwendbar erklärt wird. § 15 KSchG gilt nicht automatisch für Mitglieder einer solchen Vertretung.

b. Nachwirkung

Ist die Nachwirkung eines Tarifvertrages nicht ausgeschlossen worden, gelten die Rechtsnormen nach Ablauf eines Tarifvertrages weiter, bis sie durch eine andere Abmachung ersetzt werden (§ 4 Abs. 5 TVG).
Dies gilt sowohl für Normen über Inhalt, Abschluß und Beendigung von Arbeitsverhältnissen als auch für betriebliche und betriebsverfassungsrechtliche Normen.
Die Nachwirkung endet, wenn die Rechtsnormen durch eine „andere Abmachung“ ersetzt werden. Bei Inhaltsnormen kann eine solche Abmachung auch in Form einer Individualabrede getroffen werden; diese kann auch Abweichungen zum Nachteil des Arbeitnehmers enthalten.
Anders ist das bei Normen betriebsverfassungsrechtlichen Inhalts, die durch Tarifvertrag errichtet wurden.
Betriebsverfassungsrechtliche Normen können in einem Betrieb nur einheitlich gelten.
Dies hat zur Folge, dass ein Tarifvertrag, mit dem aufgrund der in § 117 BetrVG normierten Gestaltungsmacht ein Betriebsverfassungsrecht eigener Art geschaffen werden kann, nur durch Abschluß eines weiteren Tarifvertrages abgelöst werden kann.
Die beim Tarifabschluß beteiligte Gewerkschaft wird einer Änderung der geschaffenen Mitbestimmungsrechte sicherlich nicht zustimmen. Das Luftfahrtunternehmen wäre damit auf Dauer an die betriebsverfassungsrechtlichen Normen des von ihm abgeschlossenen Tarifvertrages gebunden, obwohl es freiwillig über die gesetzliche Mitbestimmung hinausgegangen ist. Dieses lässt sich mit dem Tarifvertragssystem nicht in Einklang bringen.

Die Nachwirkung von Tarifverträgen ist in § 4 Abs. 5 TVG dispositiv ausgestaltet, d.h. nachwirkende tarifvertragliche Normen können einzelvertraglich oder durch eine Betriebsvereinbarung abgeändert werden.
Die Nachwirkung betriebsverfassungsrechtlicher Normen jedoch ist von fortdauernder, zwingender Natur, da als „andere Abmachung“ nur eine kollektive Reglung in Betracht kommt.
In seiner Entscheidung vom 26.4.1990 hat der 1. Senat des Bundesarbeitsgerichts dazu ausgeführt, dass die Nachwirkung betriebsverfassungsrechtlicher Normen besondere Probleme aufwerfe und es als fraglich anzusehen sei, ob solchen eine unbegrenzte Nachwirkung zustehen könne.

Die Nachwirkung von Tarifverträgen soll sicherstellen, dass Arbeitsverhältnisse nicht inhaltsleer werden; sie schafft daher eine Überbrückungshilfe bis zum Abschluß des Anschlusstarifvertrages. Soweit Tarifverträge nur durch andere Tarifverträge abgelöst werden können, stellt die Nachwirkung keine Überbrückungshilfe dar, sondern zementiert einen einmal tariflich geregelten Zustand durch die zwingende Nachwirkung bis zum „Sankt-Nimmerleinstag“. Da dieser Zustand weder durch eine Kündigung noch durch den Spruch einer Einigungsstelle überwunden werden kann, wird der Arbeitgeber durch die unbegrenzte Nachwirkung auf Dauer gebunden. Um dieses von Sinn und Zweck der Nachwirkung nicht mehr gerechtfertigte Resultat zu vermeiden, muß § 4 Abs. 5 TVG einer teleologischen Reduktion unterworfen werden.

Es soll nicht verkannt werden, dass die Nachwirkung von betriebsverfassungsrechtlichen Normen wegen der Beständigkeit der Betriebsverfassung durchaus erwünscht sein kann.
Im Bereich der Organisation der Betriebsverfassung kann auch die Nachwirkung betriebsverfassungsrechtlicher Normen die ihr zugedachte Schutzwirkung erfüllen.
Wenn Tarifverträge nach § 117 BetrVG ohne Nachwirkung enden, könnte es zu gravierenden Störungen der Betriebsverfassung kommen. Es ist daher angebracht, die Nachwirkungen von Tarifverträgen nach § 117 BetrVG so zu begrenzen, dass ein Ende absehbar ist, den Tarifvertragsparteien jedoch genügend Zeit verbleibt, sich auf eine Neureglung zu verständigen. Ein geeigneter Zeitpunkt wäre beispielsweise das Ende der Wahlperiode des Betriebsgremiums.

2. Unternehmensverfassung

Sowohl das BetrVG 1972 als auch das BetrVG 2002 haben die Frage der Beteiligung von Arbeitnehmern in Unternehmensorganen ausgeklammert.
Die diesen Komplex regelnden §§ 76 - 77a, 81, 85 und 87 BetrVG 1952 wurden durch die Verweisungsvorschrift des § 129 BetrVG 1972 bzw. 2002 aufrechterhalten.
Die herrschende Literaturmeinung geht davon aus, dass auch das fliegende Personal von Luftfahrtunternehmen mit nicht mehr als 2000 Arbeitnehmern wahlberechtigt ist, da § 88 Abs. 4 BetrVG 1952, der die Anwendbarkeit des Betriebsverfassungsgesetzes 1952 nur für die Landbetriebe der Seeschiffahrt und Luftfahrt anordnet und damit das Luftfahrtpersonal ausklammerte, von der Fortgeltungswirkung des § 129 BetrVG 1972 ausgeschlossen sein soll.

Dieser Auffassung kann bei näherer Betrachtung nicht gefolgt werden.

Es ist nicht zutreffend, dass der Gesetzgeber von der Ausklammerung des fliegenden Personals in Luftfahrtunternehmen durch die Nichtübernahme des § 88 Abs. 4 BetrVG 1952 Abstand nehmen wollte.
Vielmehr hat der Gesetzgeber in § 117 BetrVG 1972 bzw 2002 die Nichtanwendbarkeit des Betriebsverfassungsgesetzes für die im Flugbetrieb beschäftigten Arbeitnehmer von Luftfahrtunternehmen erneut festgeschrieben.
Nach der Regel „lex specialis derogat legi generali“ schließt diese Sondereglung entgegenstehendes allgemeines Recht in ihrem Geltungsbereich aus.
Dies muß auch für § 76 BetrVG 1952 gelten. Deutlich wird dies bei näherer Betrachtung der §§ 129 BetrVG 1972 bzw. 2002 und 76 Abs. 2 S. 1 und 5 BetrVG 1952. Die erst genannte Vorschrift bestimmt:

„Soweit in den nicht aufgehobenen Vorschriften des Betriebsverfassungsgesetzes 1952 auf Vorschriften verwiesen wird, die nach Abs. 1 aufgehoben sind, treten an ihre Stelle die entsprechenden Vorschriften dieses Gesetzes.“

Über diese Reglung finden also nach § 76 Abs. 2 und 5 BetrVG 1952 die Vorschriften des Betriebsverfassungsgesetzes über Wahlberechtigung und Schutzbestimmungen Anwendung.
Von deren Geltungsbereich sind die Arbeitnehmer im Flugbetrieb von Luftfahrtunternehmen aber gerade ausgeschlossen.

Für die Nichtanwendbarkeit des § 76 BetrVG 1952 auf die im Flugbetrieb beschäftigten Arbeitnehmer spricht auch dessen Abs.3.
Die Arbeitnehmer im Aufsichtsrat werden auf der Grundlage von Wahlvorschlägen gewählt, die von den Betriebsräten durch Mehrheitsbeschluß oder von der Belegschaft unter Einhaltung eines doppelten Unterschriften-Quorums von 10% der Gesamtbelegschaft oder mindestens 100 Unterschriften vorgelegt werden können.
Der Betriebsrat ist aber nach der Intention des Gesetzgebers nun gerade nicht das autorisierte Vertretungsorgan des fliegenden Personals. Vertretungen nach § 117 BetrVG 1972 bzw. 2002 sind in § 76 BetrVG 1952 aber nicht genannt.
Auch für eine analoge Anwendung dieser Vorschrift auf Vertretungen nach § 117 BetrVG 1972 bzw. 2002 besteht kein Raum, da die Reglung eindeutig ist und keine Reglungslücke besteht.

Die Beteiligung des fliegenden Personals von Luftfahrtunternehmen bei Aufsichtsratswahlen sowie die Vorschlags- und Abberufungsrechte von deren Vertretungen ist durch § 76 BetrVG 1952 nicht abgedeckt.
Soweit eine Beteiligung des fliegenden Personals gewünscht wird, sind die Tarifvertragsparteien aufgefordert, entsprechende Reglungen in den Tarifverträgen nach § 117 BetrVG 1972 bzw 2002 zu treffen.
Dazu sind sie aufgrund ihrer Tarifautonomie auch befugt.

Darmstadt, 1.04.2003

Roßmann